Beim Mitarbeitergespräch kann eine Führungskraft beweisen, dass sie wirklich zu führen vermag. Doch wie nutze ich diesen Pflichttermin richtig? Wie gehe ich mit schwierigen Mitarbeitern um? Und wie bereite ich mich am besten vor?
In fast jedem Unternehmen gibt es diese auch Jahresgespräch genannten Termine und meistens wird von der Personalabteilung ein fester Rahmen vorgegeben. Wenn dieser Rahmen einen brauchbaren Leitfaden mit anwendbaren Kriterien beinhaltet, dann sollte ich dieses Angebot auch nutzen und als Grundlage für mein Gespräch nehmen. Wenn ich aber mit dem gegeben Format nicht viel anfangen kann, dann sollte ich auch nur der Form genüge tun und ansonsten das Gespräch frei nach meinen Vorstellungen gestalten. Am Wichtigsten ist und bleibt es, sich vorab ein Bild vom Mitarbeiter mit all seinen Stärken und Schwächen zu machen, und dieses Bild im Gespräch in einer wertschätzenden Art ehrlich und direkt zu vermitteln. Das Gespräch ist für den Mitarbeiter, das Papier (oder Online-Formular) ist nachher für die Personalakte. Beides sollte in Summe in die gleiche Richtung gehen, verfolgt aber unterschiedliche Ziele. Und wenn ich dem Mitarbeiter und damit auch meinem Projekt oder meiner Abteilung helfen will, dann ist das direkte Gespräch entscheidend.
Die Dinge beim Namen nennen
Ich schreibe weiter oben ganz konkret „Schwächen“ und verwende keinen Euphemismus á la „Entwicklungsfelder“, dann ist dies schon ein erster Hinweis auf den Charakter des Gesprächs. Ich bin ein großer Freund davon, die Dinge so zu benennen wie sie sind, und nicht um den heißen Brei herum zu reden. Was hat der Mitarbeiter davon, wenn alles gut ist und er so weitermachen soll wie bisher? Gar nichts hat er davon! Denn selbst einen guten Mitarbeiter kann man auf eine nächste Ebene weiterentwickeln. Aber dafür braucht es ein konkretes Feedback über Stärken und Schwächen, über Erwartungen und Anspruch. Im Jahresgespräch geht es eben auch darum, Selbstbild und Fremdbild zu vergleichen, Erwartungen zu artikulieren und dem Mitarbeiter die Gelegenheit zu geben, seinen Karriereweg zu gehen.
Noch schlimmer ist es, einem schlechten Mitarbeiter das Gefühl zu geben, es sei alles in Ordnung. Als Führungskraft habe ich in einem Jahresgespräch die Pflicht, einem Mitarbeiter seine Defizite aufzuzeigen und auf die Punkte hinzuweisen, in denen er die Erwartungen nicht erfüllt. Nur so kann ich ihm die Möglichkeit geben, sich zu verbessern und sich zu ändern. Das kann sowohl eine Fachkompetenz betreffen wie auch einen Charakterzug oder eine Frage der Einstellung. Wenn etwas nicht in Ordnung ist, dann sollte es spätestens jetzt angesprochen werden. Als Führungskraft kann ich es mir nicht erlauben, einen schwachen Mitarbeiter zu lange mitzuziehen. Wenn ich mit einem starken Team arbeiten will, dann kann das Team nicht viel stärker sein als sein schwächstes Mitglied.
Ehrliches Feedback ist für Mitarbeiter entscheidend
Schwierige Mitarbeiter brauchen ein ehrliches Feedback, und das ist nicht nur schwarz oder weiß. Jeder Mensch hat viele Facetten und zahlreiche davon sollten auch gewürdigt werden. Wenn ich mit dem Mitarbeiter weiter zusammenarbeiten will, dann sollten wir beide im Gespräch unser Gesicht wahren. Dazu passt die klassische Sandwich-Regel für Feedback: Ich beginne mit positiven Aspekten, komme dann zum negativen Punkt und schließe mit einem positiven Ausblick.
- Die positiven Aspekte zu Beginn haben etwas mit Würde und Anstand zu tun: Auch das schwarze Schaf im Team hat seine positiven Beiträge geleistet und auch eine vermeintlich negative Eigenschaft hat eine positive Komponente. Ich breche mir keinen ab, das zu erwähnen, und der Mitarbeiter fühlt sich als Ganzes ernst genommen.
- Wenn ich jetzt den negativen Punkt mit dem Wörtchen „Aber“ einleite, dann habe ich leider all meine vorherigen Bemühungen entwertet. Besser ist eine Überleitung mit „Gleichzeitig“ oder „Auf der anderen Seite“. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt, denn meiner Meinung nach sollte ich meine Kritik so konkret und klar wie möglich formulieren. Mit Beispielen aus jüngster Vergangenheit kann ich verdeutlichen, was genau mir missfällt und welches Verhalten ich stattdessen erwartet hätte. Sicher sind hier nicht beide Gesprächspartner immer einer Meinung, das ist auch nicht nötig. Wichtig ist nur, dass beide den Standpunkt des anderen wenigsten nachvollziehen können.
- Zuletzt schließt sich ein positiver Ausblick an. Ich verdeutliche dem Mitarbeiter, welche Wirkung seine Verhaltensänderung für ihn und das Team haben wird. Und das sollte auch wirklich ein positives Bild sein und nicht das Vermeiden einer Abmahnung. Wenn er sich entscheidet, den anderen Weg zu gehen, dann wird er bessere Leistungen erbringen, von den Kollegen unterstützt werden und selbst zufriedener sein.
Auseinandersetzung mit dem Mitarbeiter vor den Gesprächen
In all diesen Gesprächen ist es wichtig, dass ich ehrlich und gleichzeitig respektvoll meine persönliche Meinung vertrete. Niemand sollte vor einem Gespräch mit mir Angst haben. Vielmehr sollte der Mitarbeiter ein hilfreiches Feedback erhalten, das er konkret verarbeiten und in seinen Berufsalltag mitnehmen kann. Dazu ist es natürlich notwendig, dass ich mich darauf intensiv vorbereite. Und das meint natürlich nicht das sklavische Ausfüllen der Formulare, sondern sich inhaltlich mit dem Mitarbeiter und seinen Stärken und Schwächen auseinander zu setzen. Idealerweise geht die Vorbereitung sehr schnell, einfach weil ich einen regelmäßigen Kontakt pflege und den Mitarbeiter bereits in verschiedenen Situationen erlebt habe.
All das sollte daher nicht nur einmal im Jahr passieren, sondern ist eine Kernaufgabe jeder Führungskraft. Wenn ein Mitarbeiter im Mitarbeitergespräch überrascht ist über die negative Bewertung, dann habe ich als Führungskraft die letzten Monate versäumt mit ihm zu sprechen. Und wenn ich klare Erwartungen für die Zukunft formuliere oder einen Entwicklungspfad abgestimmt habe, dann sollte ich nicht erst in 12 Monaten überprüfen, wo wir stehen. Wenn ich Führung ernst nehme, dann ist ein regelmäßiges und ehrliches Feedback meine oberste Priorität.