Spätestens mit Abschluss des Studiums kommt die Frage auf jeden zu: Welche Stelle ist die richtige für den Einstieg? Wo will ich anfangen? Manche locken die Namen großer Firmen, andere der Status einer bestimmten Berufsrichtung. Als Zwischenfazit meiner Karriere würde ich die Frage heute anders formulieren: Wovon profitiere ich später am meisten? Was ist eine gute Schule für meinen weiteren Werdegang?
Learning by doing…
Aus meiner Sicht ist der erste Job eine ideale Gelegenheit, um enorme Erfahrungen zu machen. Jetzt werde ich auf die Arbeitswelt losgelassen und muss mir zunächst meine Hörner abstoßen. Die besten Erfahrungen mache ich im operativen Geschäft mit dem Gesicht im Wind. Das kann im Vertrieb sein im direkten Kontakt mit den Kunden. Das kann direkt in der Fertigung sein als Materialplaner auf Teilejagd. Das kann im Marketing sein direkt auf dem Messestand. Das kann in der Buchhaltung sein direkt im Mahnwesen. Es kommt einfach darauf an, dass ich direkt ins kalte Wasser springe und mit den Wellen kämpfen muss. Später in der Karriere kann es sein, dass ich nur noch am Ufer stehe und die Richtung vorgebe oder kluge Ratschläge verteile. Und dann ist es sehr hilfreich, wenn ich selbst einmal im Wasser war, wenn ich die Strömungen kenne und wie ich sie beherrsche. Dann weiß ich genau, was ich vom Ufer aus erwarten und verlangen kann. Mir macht so schnell niemand etwas vor. Und wenn ich mir meine Einstellung bewahrt habe, dann bekomme ich auch die Akzeptanz der Kollegen und Mitarbeiter, deren Sprache ich zu sprechen weiß.
Denn einiges, das ich auf der Uni gelernt habe, lässt sich in der Realität so gar nicht anwenden. Und anderes, das plötzlich wichtig ist, wurde gar nicht gelehrt. Das Studium ist in Teilen ein wertvolles Rüstzeug, ein Rucksack von Methoden und Kenntnissen. Aber Wissen heißt noch lange nicht Können. Und Können erlerne ich nur durch ausprobieren, scheitern und schaffen. Wer die Gelegenheit bekommt etwas wirklich zu tun, dem kann ich nur raten diese Gelegenheit zu ergreifen (Ausnahmen siehe unten). Konzepte und Präsentationen sind schön und gut, aber Umsetzen und Ergebnisse erzielen sind viel schwieriger und eben eine Sache von Erfahrung. Auch im weiteren Berufsleben zählt die eigene Erfahrung mehr als jede Schulung. Im Einstellungsinterview wurde ich noch nie nach meinen Schulungen oder Ausbildungen befragt. Immer musste ich belegen, was ich bereits erlebt hatte, wo ich selbst im Wasser schwimmen und in schwierigen Situationen zurecht kommen musste.
…mit Einschränkungen
Bei diesem Plädoyer für die praktische Erfahrung gibt es dennoch etwas abzuwägen: Der erste Job in meinem Berufsleben gibt die Richtung vor! Wenn ich mich für eine Branche, eine Unternehmensgröße und ein Fachgebiet entscheide, dann bleibe ich dort häufig viele Jahre. Ein späterer Wechsel ist immer mit Erklärungen verbunden und auch nur in einer Dimension zurzeit möglich. Wenn ich also im Automobilsektor bei einem mittelständischen Zulieferer im Vertrieb beginne, dann kann ich nicht in einem Schritt ins Controlling eines internationalen Pharma-Konzerns wechseln. Ich sollte mich also gut entscheiden, in welche Richtung ich gehen möchte.
Ich habe mir angewöhnt, bei jeder Karriere-Entscheidung gleich einen Schritt weiter zu denken. Wenn ich mich verändere, dann befasse ich mich natürlich intensiv mit der vor mir liegenden Aufgabe. Ich frage mich, warum ich eine neue Aufgabe suche, und wo ich das am besten verwirklichen kann. Gleichzeitig überlege ich aber, welche Perspektiven sich später aus dieser neuen Aufgabe heraus anbieten. Welche Position oder Branche danach kommen könnte. Oder ob ich gar in eine Sackgasse einzubiegen drohe. Die abgedroschene Frage nach meiner Wunschposition in fünf Jahren hat durchaus ihre Berechtigung. Auch wenn niemand die Zukunft voraus sagen kann und es meistens doch anders kommt, so sollte der erste Schritt in die Praxis gut überlegt sein.