Wenn sich die Rahmenbedingungen ändern oder ein Problem auftaucht, wird der Projektleiter darauf reagieren und Maßnahmen ergreifen. Aber ist es tatsächlich geboten, gleich und sofort zu reagieren? Oder kann es sinnvoll sein, noch abzuwarten?
Ein guter Projektleiter ist nicht nur auf sein Projekt fokussiert, sondern hat auch sein Umfeld im Blick. Regelmäßig beobachtet er die Entwicklungen seiner Stakeholder, seiner Kunden und Auftraggeber. Ebenso betrachtet er sein Projekt als Ganzes, um Schiefstände schnell zu erkennen. All diese Informationen und Beobachtungen filtert er auf Relevanz für seinen Projektauftrag. Und wenn es wichtig ist, dann gilt es zu reagieren und zu entscheiden.
Die meisten Projektleiter haben die Neigung, sofort loszulegen. Da wird diese neue, wichtige Information sofort breit gestreut, dann wird zu einem Ad-hoc-Krisentreffen eingeladen, dort werden verschiedene Alternativen erarbeitet und schnell zur Entscheidung gebracht. Noch eben den Auftraggeber informiert, Maßnahme starten – und puhh, einmal durchatmen und zurücklehnen, das Projekt hat auch diese Hürde übersprungen und ist wieder auf Kurs.
Es gibt tatsächlich Fälle, in denen eine solch schnelle Reaktion notwendig ist. Wenn ich auf der Autobahn fahre und vor mir alle bremsen und ihre Warnblinker einschalten, dann sollte ich besser sofort meine Geschwindigkeit reduzieren und auch bremsen. Hier muss ich sofort handeln, um einen Unfall zu vermeiden. Eine andere Wahl habe ich kaum.
Es gibt aber auch Fälle, in denen ich noch Zeit habe, mich zu entscheiden. Wenn ich im Verkehrsfunk (oder über mein Navi) höre, dass es in 100 Kilometern voraus einen Stau wegen eines Unfalls gibt, dann muss ich mich noch nicht entscheiden. Ich habe noch so lange Zeit, bis ich mich der letzten Ausfahrt genähert habe. Vielleicht ist bis dahin alles geräumt, und der Stau löst sich gerade auf. Vielleicht ist der Stau aber auch länger geworden, und ich nehme lieber eine alternative Landstraße.
Genauso muss der Projektleiter nicht immer sofort reagieren. Wenn eine geänderte Rahmenbedingung erst ein Arbeitspaket im nächsten Monat betrifft, dann hat der Projektleiter noch etwas Zeit. Diese Zeit kann man nutzen, um sich vorzubereiten, um verschiedene Szenarien zu entwickeln, wie sich die Änderung auswirken kann. Vielleicht hat sich bis dahin das Problem auch von alleine gelöst (ja, auch das gibt es) – oder es ist schwerer geworden.
Hier muss ich immer wachsam bleiben, denn aus dem kleinen Unfall kann auch schnell eine Vollsperrung nehmen, und dann muss ich plötzlich den Bereich weiträumig umfahren und bin doch gezwungen schnell zu entscheiden.
Es gibt also kein Patentrezept, sondern nur regelmäßige Beobachtung und Bewertung. Aktionismus beruhigt zwar in der Hinsicht, dass der Projektleiter etwas getan hat. Damit lässt sich auch immer besser argumentieren, als mit der Aussage man hätte noch abgewartet. Aber genau das Abwarten kann auch die richtige Entscheidung sein, um im richtigen Zeitpunkt die beste Maßnahme zu wählen.