Die Globalisierung der Wirtschaft bringt auch die Zusammenarbeit mit Menschen aus verschiedensten Ländern und Kulturen mit sich. Internationale Projekte sind eine besondere Herausforderung für alle Mitarbeiter und insbesondere für den Projektleiter.
Es ist nicht nur eine Legende, dass die deutsche Arbeitskultur von Pünktlichkeit und Disziplin geprägt ist. Wer bereits mit Kollegen aus anderen Ländern zusammen gearbeitet hat, der weiß, dass wir ein besonders ausgeprägtes Zeitgefühl haben und Termine sehr ernst nehmen. Im Gegensatz dazu hat Zeit in fast allen anderen Ländern einen mehr oder weniger fließend Charakter. Das bedeutet, dass die Mitarbeiter im Projekt einen anderen Umgang mit Zeitplanung und Terminen pflegen. Es wäre illusorisch, das in einem Projekt verändern zu wollen. Also muss sich der Projektleiter darauf einstellen und auch in seiner Zeitplanung entsprechende Puffer einplanen.
Wenn man dann noch mit der asiatischen Konsens-Kultur in Kontakt kommt, wie Sie vor allem in Japan sehr ausgeprägt ist, dann wird die Projektplanung noch länger dauern. Die Aufgabe des Projektleiters ist es, alle Stakeholder in sein Projekt einzubinden und die Inhalte, Aufgaben und vor allem Ziele mit ihnen abzustimmen. Eine offizielle Einbindung ist gar nicht nötig, und ein großes Informationsmeeting gar nicht möglich. Hier zählt allein das Einzelgespräch unter vier Augen. Denn in Besprechungen wird in Japan nicht gearbeitet und nicht um Ziele gerungen, sondern in Besprechungen werden nur Ergebnisse verkündet.
In der deutschen Kultur ist es wichtig authentisch zu sein. Wer sagt, was er denkt, der ist aufrichtig. Wenn es ein Problem gibt, dann wird es benannt. Wenn der Mitarbeiter nicht einverstanden ist, dann informiert er durchaus seinen Vorgesetzten. Wer anderer Meinung ist, der widerspricht auch in großer Runde. All dies ist für uns selbstverständlich. Und all dies kann ich anderen Ländern ein Affront sein. Denn Kritik wird nicht offen geäußert, sondern nur unter vier Augen. Durch das Senioritätsprinzip wird dem Vorgesetzten kaum widersprochen. Und damit niemand sein Gesicht verliert, wird in großer Runde auch niemand bloß gestellt. Das sind leider nicht nur Floskeln, sondern kann zu der Situation führen, dass in einer großen Runde alle das Problem sehen, aber niemand den Mund aufmacht.
Was bedeutet das für den Projektleiter?
In erster Linie muss der Projektleiter eine kulturelle Sensibilität mitbringen, um die kulturellen Besonderheiten zu erkennen und um auf die versteckten Signale reagieren zu können. Er benötigt Einfühlungsvermögen, um sich in die Perspektive anderer Menschen und Kulturen hinein zu versetzen. Der Projektleiter und auch die anderen Mitarbeiter im Projekt müssen vor allem diese Unterschiede respektieren.
Der Führungsstil sollte der jeweiligen Situation und Kultur angepasst werden. Wo beispielsweise in Deutschland eine klare Ansage vor dem Projektteam angebracht ist, braucht es in einem anderen Land ein vertrauliches Vier-Augen-Gespräch. Es ist wichtig zuzuhören und auch geduldig abzuwarten. Wer nur selbst spricht, gibt seinem Gegenüber keine Möglichkeit sich zu äußern. Und ein „Ja“ ist dann nicht immer ein „Ja“!
Ein internationaler Projektleiter ist nicht nur ein Leiter, sondern auch immer Diplomat und Vermittler. Insbesondere das Projektziel und die Zeitplanung müssen gemeinsam von allen Projektbeteiligten erarbeitet werden. Nur wenn das Ziel des Projekts von allen getragen wird, kann es über die Länder und Kulturen hinweg auch umgesetzt werden. Die Aufgabe des Projektleiters ist es hier, die verschiedenen Interessen der Stakeholder aus verschiedenen Ländern unter einen Hut zu bringen. Und die Zentrale ist für viele weit weg, da hilft auch keine Ansage „von oben“. Wenn das Projekt erfolgreich sein soll, dann müssen auch die weit entfernten Mitarbeiter überzeugt werden. Das für dieses alternativlose Vorgehen mehr Zeit notwendig ist, liegt auf der Hand
Wie gelingt die Umsetzung?
In allen Phasen des Projekts muss der Projektleiter persönlich vor Ort sein. Das gilt für die Projektplanung genauso wie für die Umsetzung. Nur im persönlichen Kontakt kann der Projektleiter die persönlichen Beziehungen aufbauen, die für internationales Projektmanagement unverzichtbar sind. Auch in der Umsetzungsphase ist es unvermeidlich vor Ort zu sein. Ein Statusbericht und eine E-Mail können viel versprechen. Aber nur mit den eigenen Augen kann sich der Projektleiter ein eigenes Bild machen und von den wirklichen Zuständen überzeugen. Und die Mitarbeiter im Projekt berichten über Probleme und Schwierigkeiten auch eher in einem persönlichen Gespräch, das wir sogar als informell wahrnehmen würden.
Wer in fremden Kulturen und Ländern unterwegs ist, der ist immer auch Gast in diesem Land. Wer ein paar Wörter der fremden Sprache lernt, der zeigt seinen Respekt vor diesem Land und den Menschen. Sich in Landessprache zu begrüßen und zu bedanken ist nicht schwer zu lernen und baut einfache Brücken zu den Kollegen. Die Zahlen von 1 bis 10 lassen sich häufig schnell lernen und können auch in Besprechungen hilfreich sein. Dieser kleine Wortschatz kann ganz leicht die Türen öffnen.
Internationale Projekte zu leiten, ist immer eine besondere und zusätzliche Herausforderung. Wer sich als Projektleiter diesen Besonderheiten bewusst ist und sich auf sie einlässt, der kann auch diese Aufgabe meistern und selbst an ihr wachsen. Dafür benötigt es in erster Linie Einfühlungsvermögen und einen situativ und kulturell angepassten Führungsstil. Aus deutscher Sicht braucht es viel Geduld und Empathie, um auf alle Beteiligten zuzugehen und ein wirkliches, internationales Team zu formen.